Der digitale Umbruch der Arbeitswelt: Herausforderungen und Chancen

Ein Blick auf den digitalen Umbruch in der Arbeitswelt durch künstliche Intelligenz. Die aktuellen Studien zeigen, dass die Digitalisierung eine erhebliche Veränderung in der Arbeitswelt mit sich bringen wird. Allerdings muss diese Veränderung nicht nur negativ sein, sondern kann – vor allem für soziale Berufe – eine Chance bedeuten.

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1. Deloitte Umfrage und AI Quick Study: Digitalisierung im Arbeitsalltag

Die digitale Transformation beeinflusst die Arbeitswelt nachhaltig. Eine aktuelle Studie von Deloitte verdeutlicht, dass viele Arbeitnehmer:innen in Österreich bereits spürbare Veränderungen in ihren Arbeitsabläufen wahrnehmen. Während die Mehrheit die fortschreitende Digitalisierung begrüßt und als Chance für Effizienzsteigerungen sieht, gibt es auch Ängste, insbesondere hinsichtlich des möglichen Arbeitsplatzverlustes.

Mehr Technologie, mehr Unsicherheit

Eine Umfrage von Deloitte vom August 2023 zeigt, dass 61% der Befragten eine ausgewogene Mischung aus menschlicher Interaktion und technologischer Unterstützung befürworten. Doch gleichzeitig äußern 38% der Befragten Ängste vor einem Verlust von Arbeitsplätzen durch die Digitalisierung. Hier besteht also noch Informationsbedarf über das Potenzial der Digitalisierung zur Schaffung neuer Arbeitsplätze.

In den heimischen Unternehmen ist der digitale Umbruch bereits in vollem Gange. 87% der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bemerken eine verstärkte Investition in neue Technologien und Infrastruktur. Beeindruckende 81% sehen eine Umstrukturierung der Arbeitsabläufe. Schon jetzt berichtet ein Viertel der Befragten von automatisierten Tätigkeiten und dem Einsatz digitaler Tools.

Die Einführung von Künstlicher Intelligenz (KI) in die Arbeitswelt ist im Gange. 16% der Angestellten geben an, dass KI zumindest gelegentlich im Unternehmen angewendet wird. Vor allem bei repetitiven Aufgaben und Automatisierungen (49%) sowie bei datenbasierten Entscheidungen (34%) kommt die Technologie zum Einsatz. Dabei sehen mehr als ein Drittel der Befragten in der Verwendung von KI eine große Chance, während ein weiteres Drittel die Technologie als Bedrohung empfindet.

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Die Zukunft der Kompetenzen

Mit der verstärkten Nutzung digitaler Tools verändern sich auch die Anforderungen an die Kompetenzen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. 75% sehen technische Kenntnisse wie Programmierung und Datenanalyse als unverzichtbar an. Aber auch kritisches Denken, Problemlösungsfähigkeiten (65%) sowie Kommunikations- und Zusammenarbeitserfahrung (58%) sind von zunehmender Bedeutung.

Nutzung von KI in Österreich

Die Deloitte AI Quick Study vom September zeigt, dass unter 168 Führungskräften nur ein geringer Anteil von Unternehmen diese Technologie intensiv nutzen. Dennoch wird der Einsatz von KI-Technologien von über 93% der Unternehmen positiv betrachtet.

In einem Interview von personal manager mit zwei führenden Expertinnen, Anna Nowshad und Evrim Bakir, zeigte sich, dass künstliche Intelligenz eine Vielzahl von Anwendungsbereichen in Unternehmen bietet. Insbesondere in der Prozessautomatisierung und der Analyse großer Datenmengen hat KI einen starken Einfluss. In Bezug auf den Personalbereich eröffnen sich ebenso zahlreiche Möglichkeiten: von der Beschleunigung von Recruiting-Prozessen bis hin zum Talentmanagement und der Anpassung von Fähigkeiten an neue Arbeitsmodelle.

Veränderungen in den Organisationsstrukturen 

Ein herausragender Punkt aus dem Interview ist die Bedeutung von KI im Hinblick auf die Zukunft des Arbeitens. Die Technologie verändert nicht nur den Arbeitsalltag, sondern erfordert auch ein Umdenken in den Organisationsstrukturen. Sie übernimmt repetitive Aufgaben und ermöglicht eine bessere Anpassung von Aufgaben an individuelle Fähigkeiten, unabhängig von starren Jobprofilen.

Das Interview beleuchtete auch die Herausforderungen, die Unternehmen, insbesondere das Personalmanagement, in Bezug auf KI bewältigen müssen. Ängste vor Jobverlust und Veränderungen im Arbeitsumfeld sind vorhanden. Es wird jedoch betont, dass KI eher unterstützend wirkt und Platz für kreativere Tätigkeiten schafft. Es ist unerlässlich, die Mitarbeiter:innen aktiv in den Transformationsprozess einzubeziehen und sie für die neuen Anforderungen zu qualifizieren.

Abschließend wurde betont, dass die Integration von KI in Unternehmen ein interdisziplinäres Vorhaben ist. HR, IT und andere Bereiche müssen gemeinsam die gewünschten Ziele definieren und eine klare Vision für die Nutzung von KI entwickeln.

2. Ein Blick in die Zukunft der Personalberatung

In einem kürzlich geführten Interview von DER STANDARD mit Martin Mayer, dem Geschäftsführer von Iventa, einer der größten Personalberatungen in der DACH-Region,  zeigen Einblicke in die Arbeitswelt der Personalberatung. Mayer äußerte seine Verwunderung darüber, dass viele Medien immer noch von einem enormen Arbeitskräftemangel berichten, während er in seinem Geschäftsbereich deutlich spürt, dass viele Unternehmen bei Neueinstellungen auf die Bremse treten. Die einst dynamische, beinahe verzweifelte Suche nach qualifiziertem Personal scheint vorerst abgeflaut zu sein.

Der Einfluss von künstlicher Intelligenz auf den Arbeitsmarkt

Martin Mayer betont, dass die fortschreitende künstliche Intelligenz für sein Unternehmen einen enormen Wachstumsdruck mit sich bringt. Auch in der stark fragmentierten Branche der Personalberatung sieht er einen riesigen Automatisierungsschritt und eine bevorstehende Konsolidierung. Denn nicht alle kleineren Boutiquen oder Netzwerke könnten oder wollten die nötigen Investitionen in KI tätigen.

Mayer prognostiziert in den kommenden drei bis fünf Jahren eine massive Veränderung der gefragten Skills. Besonders repetitive Bürotätigkeiten könnten durch Automatisierung mit weit weniger Personal erledigt werden. Das betrifft Assistenzen, Medienleute und Content-Creators. Top-Wissensarbeiter hingegen werden weniger betroffen sein. Insgesamt könnten drei bis fünf Prozent aller Jobs in nächster Zeit gefährdet sein.

Eine neue Ära für die Personalberatung

Die rasante Automatisierung und der verstärkte Einsatz von KI wirft auch einen Blick auf die Zukunft der Personalberatung. Algorithmen sind bereits Torwächter bei Bewerbungen, doch nun halten Bots Einzug. Erstansprache und Active Sourcing können künftig von Bots übernommen werden. Doch Martin Mayer betont, dass auch in Zukunft Menschen eine entscheidende Rolle spielen werden.

Trotz dieser rasanten Entwicklungen erwartet Mayer keine lineare Entwicklung. Wie in anderen Branchen wird es auch in der Personalberatung Gegenbewegungen geben. Es wird Raum für Nischen und spezialisierte Dienstleister geben.

Digitalisierung und Automatisierung

Die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt zwingen viele in der Personalberatungsbranche zur Entscheidung: Rüsten sie digital auf und werden größer, um größere Volumen zu bewegen, oder suchen sie eine Nische oder Kooperation mit anderen?

Das Interview mit Martin Mayer gibt einen spannenden Einblick in die Zukunft der Personalberatung und zeigt, wie sich die Branche auf die Herausforderungen der fortschreitenden Digitalisierung und Automatisierung vorbereitet. Es wird deutlich, dass Flexibilität, Innovation und Investitionen in Technologie entscheidende Faktoren für den Erfolg in dieser sich wandelnden Arbeitswelt sein werden.

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3. Eine Chance für soziale Berufe

Die fortschreitende Entwicklung der KI wirft viele Fragen über die Zukunft der Arbeitswelt auf. Doch laut Viktor Mayer-Schönberger, Datenrechtsexperte und Professor für Internet Governance an der Universität Oxford, sind die Ängste vor einem Jobverlust nur teilweise gerechtfertigt. In einem Interview mit ORF.at erklärt er, warum eine Neuausrichtung der Arbeitswelt entscheidend ist und wie insbesondere soziale Berufe und Handwerksberufe an Bedeutung gewinnen könnten.

Die Macht der KI in der Berufswelt

Die jüngsten Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz sind beeindruckend. KI kann in Sekundenschnelle komplette Vorträge verfassen, kreative Werbetexte formulieren und komplexe Projektkonzepte erstellen. Gleichzeitig fragen sich immer mehr Menschen, ob ihre Arbeit möglicherweise von digitalen Automatismen übernommen wird.

Ein Bericht des Investmentunternehmens Goldman Sachs aus dem März schätzt, dass KI in Zukunft ein Viertel aller derzeit von Menschen ausgeführten Arbeiten übernehmen könnte. In der Europäischen Union und den USA könnten durch Automatisierung bis zu 300 Millionen Arbeitsplätze verloren gehen.

Die Revolution der Entscheidungen

Mayer-Schönberger teilt nicht die Sorge vor einer drohenden Massenarbeitslosigkeit. Er vergleicht die aktuelle Situation mit der industriellen Revolution vor 150 Jahren. Damals gab es am Ende mehr Berufe, jedoch waren die Inhalte dieser Berufe völlig anders. Manuelle Arbeit wurde durch organisatorische und entscheidungsbezogene Tätigkeiten ersetzt. Ähnlich sieht er es nun mit der KI: Entscheidungsarbeit kann teilweise durch Technologie ersetzt werden.

Die Veränderung klassischer Schreibtischjobs

Besonders betroffen von dieser Veränderung sind klassische Bürojobs im mittleren Management, in der Verwaltung und anderen administrativen Bereichen. Jobs, die bisher als vergleichsweise sicher galten, könnten nun durch KI übernommen werden. Das betrifft Bereiche wie Buchhaltung, Datenverarbeitung und das Finanzwesen. Die Gesellschaft steht vor großen Herausforderungen, betont Mayer-Schönberger. Vielmehr könnten Beschäftigte von lästigen Aufgaben entlastet werden, um mehr Zeit für Tätigkeiten zu haben, bei denen menschliche Fähigkeiten unverzichtbar sind.

Chancen für soziale Berufe

Ein Team von Schweizer Forschern hat einen Automatisierungsrisikoindex (ARI) entwickelt, um zu untersuchen, welche Berufsfelder in Zukunft von Automatismen beeinflusst werden könnten. Die Forschenden untersuchten dafür 976 Berufe und bewerteten sie anhand ihres Index. Die Grafik von ORF.at zeigt deutlich, dass vor allem die Jobgruppen in der Erziehung (1) und in den Gesellschafts- und Sozialdiensten (2), aber auch körperliche und soziale Dienstleistungen (5) nur geringem Einfluss einer KI ausgesetzt sind. 

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Das bedeutet, dass vor allem soziale Berufe, wie in der Pflege, Pädagogik und mentalen Gesundheit, aufgewertet und attraktiver gemacht werden könnten und dadurch einen Aufschwung bekommen. 

Mayer-Schönberger betont, dass die KI zwar in der Pflege unterstützen kann, aber niemals einen menschlichen Pfleger ersetzen wird. Es wird einen wachsenden Bedarf an Pflegekräften geben, dem durch Technik unterstützt begegnet werden kann. Allein im Bereich der Pflege würden laut Gesundheitsministerium in Österreich aufgrund der demografischen Entwicklung bis 2030 jährlich bis zu 6.700 zusätzliche Pflegekräfte benötigt werden. 

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Außerdem ist sich Mayer-Schönberger sicher: „Alle menschlichen Dienstleistungen wird es auch weiterhin geben. Auch jene Berufe, in denen Kreativität eine wichtige Rolle spielt, kann man nicht einfach durch KI ersetzen, wie etwa im Handwerk, wo neue und individuelle Ideen gefragt sind. Aber wenn das die zukünftigen Schwerpunkte menschlicher Arbeit sind, erfordert das eine Veränderung in unserer Gesellschaft, denn dann müssen wir unser Bildungssystem und unsere Denkmuster darauf ausrichten.“

Die Zukunft der Arbeit liegt in der Veränderung

Die entscheidende Frage lautet daher nicht: Gibt es durch KI weniger oder mehr Arbeitsplätze? Sondern es stellt sich vielmehr die Frage: Wie werden sich Arbeitsplätze künftig verändern? Es wird darum gehen, Menschen bei der Entwicklung und Gestaltung dieser Veränderungen zu unterstützen. Die Schlüsselkompetenzen der Zukunft sind soziale und kreative Fähigkeiten, nicht nur Intelligenz oder Gedächtnis. Die Veränderungen sind unvermeidlich, aber es entstehen auch neue Chancen und Anforderungen für Arbeitnehmer:innen. Es ist an der Zeit, sich auf diese neuen Anforderungen einzustellen und das Bildungs- und Arbeitssystem entsprechend zu ändern.

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