„Erinnerungsreise nach Palermo“
Sinem Akdeniz erzählt über ihren Europäischen Freiwilligendienst in Italien
Mein Europäischer Freiwilligendienst (EFD) fand von März bis Dezember des Jahres 2011 statt. Inzwischen hatte ich viel Zeit, um alles noch einmal zu reflektieren und möchte euch mitnehmen auf eine kleine Erinnerungsreise.
Das Miteinander
Angekommen bin ich an einem sehr trüben und regnerischen Abend in Palermo, diese ist die Hauptstadt von Sizilien und befindet sich nordwestlich auf der Insel. Der Tag meiner Ankunft war ein sehr aufregender Tag in meinem Leben, den alles war plötzlich ganz anders – die Autos, Häuser, Lichter und sogar mein Schlüssel. Aber ich wurde sehr herzlich empfangen und lernte bald die anderen Volontäre kennen. Im Laufe meines Verbleibs habe ich diese Gastfreundlichkeit und dieses „warme Miteinander“ sehr lieben gelernt, das vermisse ich hier in Österreich oft.
Unser Team bestand aus circa 18 Freiwilligen, die aus ganz Europa angereist waren, um in Palermo zu arbeiten. C.E.S.IE war unsere Empfängerorganisation und teilte uns in verschiedene Center ein. Es gab mehrere Kindergärten, ein Flüchtlingsheim und eine Kantine für Obdachlose. Wir durften überall einmal „schnuppern“. Dennoch war meine Arbeit gemeinsam mit einem Freiwilligen aus England, Aaron, und einem aus Frankreich, Youssouf, auf den Kindergarten „Il Giardino di Madre Teresa“ der sich in „Ballaro“ befindet, festgelegt.
Die Kids
Hier betreuten wir ungefähr um die 30 bis 40 Kinder im Alter von einem bis sechs Jahren. Die meisten Kinder hatten ihre Wurzeln in afrikanischen Ländern. Aber wir hatten auch Kinder aus dem Nahen Osten oder Palermo. Die Gründerin, Rosita Marchese, erzählte mir, dass sie kaum etwas mit dem Kindergarten verdient, aber es sich für sie um eine Herzensangelegenheit handelt. Dafür hatte sie (und hat sie immer noch) meine Bewunderung. Neben einem geregelten Tagesablauf, das heißt zu bestimmten Zeiten essen, schlafen, spielen war es mir möglich, Workshops zu veranstalten. Die Arbeit dort hat mir viel Freude bereitet und ich konnte wirklich einen hilfreichen Beitrag leisten, denn wir Freiwilligen waren für einen längeren Zeitraum wichtige Bezugspersonen für die Kinder, die ebenso von Freiwilligen aus der Stadt Besuch bekamen, aber nicht jeden Tag.
Ich konnte kein Italienisch, als ich nach Palermo ging. Doch gab es einen drei-monatigen Sprachkurs in den ersten Monaten und auch das Lernen gemeinsam mit den Kindern half mir. Das war eine tolle Erfahrung. Dennoch war es nicht immer einfach, sich mitzuteilen, aber wenn nichts mehr half, dann konnte ich immer noch zur Körpersprache greifen.
Was bleibt nach dem EFD?
Mein Aufenthalt in Palermo war eine der schönsten und wertvollsten Erfahrungen, die ich in meinem bisherigen Leben machen konnte. Wir bekamen durch den Freiwilligendienst ein „Taschengeld“ sowie eine Unterkunft (gemeinsam mit anderen Freiwilligen) zur Verfügung gestellt und mussten uns nicht um Finanzielles kümmern.
Palermo ist ein beliebtes Reiseziel in den Sommermonaten, die Mehrheit der Bewohner hat jedoch mit der Suche nach einem Arbeitsplatz zu kämpfen. Es sind noch immer zahlreiche Häuser vorhanden, die nach dem Zweiten Weltkrieg beschädigt und bis heute nicht restauriert wurden. In einer Stadtführung hat man mir erklärt, dass man nun mittels Kunst versuche, diese Gebäude attraktiver zu gestalten.
Neben einem großen Schatz an Erfahrungen und Wissen, den ich mir aus Palermo mitnehmen konnte, habe ich auch begonnen, politischer zu denken und die Welt ein wenig mehr zu erfassen. Die Frage, ob man sie je ganz erfassen kann, möchte ich offen lassen…
(Derzeit studiere ich an der Uni Wien Internationale Entwicklung sowie die beiden Lehramtsfächer Psychologie/Philosophie und Biologie und Umweltkunde).
Weitere Informationen
Achtung! Den EFD gibt es so nicht mehr. Das Projekt ist jetzt in den Europäischen Solidaritätskorps eingegliedert und heißt ESK. Die Rahmenbedingungen sind aber weitgehend gleich geblieben. Unser aktueller Artikel thematisiert den Wandel von EFD zu ESK.
EFD = Europäischer Freiwilligendienst, bedeutet, 3-12 Monate in einem anderen europäischen Land (es gibt auch – wenige – Plätze im außereuropäischen Raum) zu leben, und dort in einem ökologischen, kulturellen oder sozialen Projekt mitzuarbeiten. An- und Rückreise, Versicherung, Miete, Essensgeld, Taschengeld, Transportkosten zum Arbeitsplatz werden vom Programm JUGEND IN AKTION (Youth in Action) übernommen, dafür arbeitet man ehrenamtlich 20-30 Stunden pro Woche.
TIPP: Rechtzeitig mit der Organisation beginnen (etwa 8-10 Monate vor geplantem Projektbeginn)!