„Ich fühle mich jung, gebraucht und angenommen.“
Die pensionierte Lehrerin Brigitte Knor berichtet über ihr Leben als Freiwillige in Nepal (Verein VOLUNTARIS)
Brigitte Knor, 68 Jahre jung, ehemalige Lehrerin und langjährige Hausfrau, hat ihren Lebensmittelpunkt vergangenen Februar nach Nepal, in die Nähe der Hauptstadt Kathmandu verlegt. Dort arbeitet sie bei einem lokalen Entwicklungsprojekt mit, wo Familien von Ziegelfabriksarbeitern Bildung und Gesundheitsvorsorge bekommen. Unterstützt wird sie dabei von der Wiener Organisation VOLUNTARIS.
Meine Fähigkeiten sind pädagogischer Natur. Hier kann ich seit 31 Jahren endlich wieder in der Klasse stehen und unterrichten! Dienstag, Mittwoch und Donnerstag marschiere ich in die nächste Ortschaft zu meiner “government school”, einer öffentlichen Schule, die nur von Kindern besucht wird, deren Eltern sich eine private Schule nicht leisten können. Ich unterrichte eine 7. Stufe mit 36 Kindern und eine 9. Stufe mit 55 in Englisch.
Obwohl „government schools“ kein Schulgeld verlangen, müssen die Eltern für Schuluniform, Bücher und Hefte zahlen. Das wiederum können sich viele, z.B. die Ziegelfabrikarbeiter, nicht leisten. Deren Kinder besuchen keine Schule. Deshalb unterrichte ich zusätzlich im Tageszentrum für die Ziegelkinder.
Die Kinder der Ziegelfabriksarbeiter sind lehmig, haben zerrissene Kleidung und Läuse. Die älteren Kinder schleppen ihre kleineren Geschwister. Einige sind noch immer scheu, die meisten aber laufen mir entgegen, sobald sie mich erspäht haben. Morgens spiele ich mit ihnen Schulappell, so wie es hier in allen Schulen üblich ist. Wir turnen, singen, sagen Reime auf. Das macht uns allen großen Spaß und auch die nepalesischen Betreuerinnen tun begeistert mit. Dann unterrichte ich bei den älteren Kindern. Später gibt es ein einfaches Mittagessen. Um etwa vier Uhr ist Schluss. Wir begleiten die kleineren Kinder noch ein Stück in Richtung ihrer Hütten.
Von meinem Zimmerfenster aus kann ich sieben-Tag-und-Nacht rauchende Schlote sehen. Rings um Kathmandu, um Bhaktapur im südlichen Nepal gibt es hunderte, wahrscheinlich tausende Ziegeleien. Überall schuften unzählige Familien um einen Hungerlohn. Es gibt keine Gewerkschaften für die Ziegelarbeiter; sie haben keine Sozialversicherungen, keine Altersvorsorge.
Es ist mir bewusst, dass meine Tätigkeit in Nepal nichts Wesentliches verändern kann. Aber einigen Kindern Freude bereitet, etwas zu ihrer Bildung beigetragen zu haben, ist auch etwas. Als zahlender Gast helfe ich allein schon durch meine Anwesenheit den Projektpartnern. Und fünf Monate in einem fremden Land zu leben, in eine so ganz andere Kultur einzutauchen, Land und Leute auf nichttouristische Art – „slow tourism?“- kennenzulernen, finde ich einfach großartig!
Ich beobachte und staune, ich höre und erfahre Interessantes, ich lerne täglich Neues. Ich fühle mich jung, gebraucht und angenommen. Freiwilligen – auch Senioren – steht die Welt noch offen!
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Weitere Informationen:
Projektvermittlung und Vorbereitung auf ihr Abenteuer hat Brigitte bei dem in Wien ansässigen Verein VOLUNTARIS bekommen. VOLUNTARIS organisiert weltweite Freiwilligendienste für Menschen mit Lebens- und Berufserfahrung.
Ziel des von der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit und dem Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz unterstützten Vereins ist die Förderung des weltweiten Erfahrungsaustauschs in Entwicklungsprojekten durch Freiwilligendienste.