Erfahrungsberichte Afrika
26.11.2017

Mit Ärzte ohne Grenzen im Einsatz in Äthiopien

Springschnur, Yogamatte, Musik – das hat Barbara Trattnig auf ihren Reisen immer im Gepäck. Die Gesundheits- und Krankenschwester aus Wien arbeitet bei Ärzte ohne Grenzen als Leiterin der Pflegeaktivitäten. Im Blog berichtet sie von ihrem siebenmonatigen Einsatz in Gambella, Äthiopien. Über ihren Einsatz sagt sie: „Ich habe gelernt, mich über kleine Erfolge zu freuen.“

Nach einigen Monaten des Wartens und einigen Geduldsproben war es Anfang des Jahres soweit: Ich bin in Äthiopien gelandet – Destination Gambella für sieben Monate. Das Projekt hatte noch nicht begonnen – es gab also einiges zu tun, bevor wir richtig durchstarten konnten. Natürlich auch einige Herausforderungen. Aber jetzt erst einmal der Reihe nach.

Nach den Briefings in Addis ging es nach Gambella – mein Glück war, dass ich zu Beginn der Hitzeperiode anreiste. So konnte ich mich ein wenig akklimatisieren, falls dies überhaupt möglich ist. Nach der Hitze kommt der Regen und die Moskitos und das bedeutet, dass die Malariafälle höher sind.

Das Projekt

Das Projekt startete im Jänner. Ich arbeitete in einem Krankenhaus in Gambella, das von Ärzte ohne Grenzen unterstützt wird. Gambella befindet sich im Westen Äthiopiens an der südsudanesischen Grenze. Viele Flüchtlinge aus dem Südsudan leben rund um das Krankenhaus und benötigen – genauso wie die einheimische Bevölkerung – medizinische Hilfe. Unsere vorhergehende Auswertung hat ergeben, dass vor allem die Notaufnahme, chirurgische Abteilung sowie der Notfall-Operationsaal unsere Unterstützung brauchen. Im Juli sollte zusätzlich die Geburtshilfe starten. Neben der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen und Einheimischen war ein weiteres Anliegen des Projektes, die Menschen vor Ort darüber zu informieren, wie Ärzte ohne Grenzen arbeitet und dass die Organisation kostenlose Hilfe anbietet.

Wohnsituation und Team

Ich war eine der ersten vom permanenten Team, die nach Gambella kam. Die Wohn- und Bürosituation war zu diesem Zeitpunkt noch nicht geklärt. Zu Beginn diente das jetzige Büro als beides. Als permanente Lösung wurde dann unser Gästehaus gefunden. Die Lebenssituation hier ist nicht dieselbe wie in meinem letzten Projekt in Melut im Südsudan. Dort gab es fließend Wasser, Elektrizität und keine Container, sondern richtige Räume mit Ventilatoren, die die Luft ein wenig bewegten.

Im Jänner sind der „Field“-Koordinator Bruce und ich ins Projekt gekommen. Langsam aber stetig sind immer mehr Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zum Team dazu gestoßen. Zusätzlich zu den sogenannten „Expats“ hatten wir auch immer wieder temporäre Hilfe von einem nationalen Team aus Addis, insbesondere im Bereich Logistik.

Das Team in Gambella (Foto: Barbara Trattnig)

Auswahl und Schulung des Personals

Bevor wir losstarten konnten, brauchten wir Personal. Poster mit offenen Stellen wurden an allen nur erdenklichen Stellen durch unsere Fahrer in Gambella aufgehängt. Einige Stellen waren in ganz Äthiopien ausgeschrieben. Also hab ich mich dran gemacht, hunderte von Lebensläufen zu checken. Mit Hilfe unserer Übersetzerin hab ich alle Kandidaten und Kandidatinnen angerufen, sie zum schriftlichen Test eingeladen und danach zum Interview. Am Anfang haben wir folgendes medizinisches Personal eingestellt: Krankenschwestern und – pfleger für den Operationssaal, die Notfallaufnahme und die chirurgische Abteilung; eine Aufsichtsperson und eine helfende Hand für die Apotheke sowie Krankenhausreinigungspersonal. Wir achteten bewusst darauf, eine Gleichbehandlung der Geschlechter zu garantieren. Es war nicht so einfach, weibliches Personal zu bekommen, aber wir taten unser Bestes, um es wenigstens ein wenig ausgeglichen zu haben.  Andere Länder, andere Sitten: Diese Erfahrung hatte ich schon im Südsudan gemacht und so war meine Verwunderung nicht so groß, dass sich mehr Männer als Frauen bewarben.

Auf der Suche nach neuem Personal. (Foto: Barbara Trattnig)

 

Da wir ein bestehendes Krankenhaus unterstützen, hatten wir bereits medizinisches Personal und stellten zusätzliches ein. Viele waren es nicht gewohnt, mit Ärzte ohne Grenzen zu arbeiten und waren daher nicht mit den Abläufen vertraut. Ich habe versucht, so viel Wissen wie möglich zu transportieren. Praktisch gesehen war dies z.B. ein spezielles Training für Reinigungskräfte in Bezug auf hygienische Aspekte z.B. die Aufbereitung von Lösungen. In der Pflege musste das Basiswissen aufgefrischt und auf den neuesten Stand gebracht werden.

Mein Fokus in der Arbeit war in den letzten sieben Monaten die Notaufnahme und die chirurgische Abteilung. Langeweile kam nie wirklich auf. Ganz im Gegenteil: Meine Tage waren relativ gut durchgeplant, weil ich ohne Plan verloren gewesen wäre. Das dieser nicht immer funktioniert, ist eine andere Geschichte. Daher hatte ich eine mentale To-Do-Liste und wusste immer, was zu erledigen ist. In der Zeit im Projekt lernte ich, geduldig zu sein und mich an kleinen Erfolgen zu erfreuen. Einer meiner größten Erfolge war es bestimmt, dass ich die Aufsichtsperson für die chirurgische Abteilung soweit geschult habe, dass sie jetzt alles alleine bzw. mit ein wenig Unterstützung erledigen kann.

Versorgung der Patienten und Patientinnen

In Äthiopien ist Malaria nicht so verbreitet, jedoch in Gambella schon. Dort gibt es das ganze Jahr Malariafälle. Der Höhepunkt ist von Juni bis Dezember zeitgleich mit der Regenzeit. Neben Malaria gab es auch Folgen von Verkehrsunfällen, die meist durch kleine Transport-Tuk-Tuks verursacht wurden. Speziell in der Mango-Saison gab es Stürze von Bäumen. Wir haben viele zehn bis 15-Jährige aufgenommen, da sie einen Oberschenkelbruch hatten und eine stationäre Behandlung und operative Versorgung benötigten. Darüber hinaus kümmerten wir uns auch um Patienten und Patientinnen mit Asthma und Lungenzündung. Wir versorgten auch verschiedenste Traumata in  der Notaufnahme – und bei Bedarf in der chirurgischen Abteilung. Dies gab mir die Möglichkeit, die Betreuung von Patienten und Patientinnen von Anfang an zu verfolgen, d.h. von der Erstversorgung bis zur Aufnahme auf der Station.

Bereit für neue Abenteuer

Im Juli begannen wir damit, zusätzlich die Geburtshilfe zu unterstützten. Wir hatten also zwei neue Teammitglieder: eine Hebamme und eine Frauenärztin. Es  gab also immer Bewegung in unserem Team. Ein Kommen und Gehen… Nach sieben Monaten ging es für mich nach Hause zu meinen Lieben. Jetzt heißt es erst einmal Batterien aufladen und es sich gut gehen lassen, bevor es dann wieder los geht und wer weiß jetzt schon genau wohin der Weg mich führt.

Auch wenn es sicherlich ein anstrengender Einsatz war, habe ich viel gelernt und möchte diese Zeit nicht missen. Während dieser Zeit habe ich viele neue Menschen kennen gelernt und mein Wissen erweitert. Ich freue mich nach meiner Auszeit auch schon auf mein nächstes Abenteuer mit Ärzte ohne Grenzen.

Linktipps

Erfahrungsbericht einer Krankenschwester: Einsatz mit Ärzte ohne Grenzen im Jemen

Dieser Text wurde mit freundlicher Genehmigung von Ärzte ohne Grenzen Österreich auf ngojobs.at veröffentlicht. Weitere Beiträge der Autorin Barbara Trattnig und viele andere Berichte von österreichischen EinsatzmitarbeiterInnen sind im Einsatzblog der weltweit tätigen Hilfsorganisation nachzulesen.