Erfahrungsberichte Lateinamerika
29.12.2015

Volontariat bei LoKa in Magdalena de Cao, Peru (Teil 2)

„Selbsterfahrung in einer Umgebung des Nehmens und Empfangens“

Die Volontärin Erika Schuh berichtet von ihrem dreimonatigen Einsatz als Englischlehrerin in Peru (Verein LoKa)

Im Sommer 2012 beschließe ich, drei Monate als Freiwillige in einem kleinen Dorf im Norden Perus zu arbeiten. Ich hatte Informationen über eine junge NGO in Wien mit Namen LoKa erhalten, dessen Ziel es ist, ein langfristiges Sprach-Projekt in Magdalena de Cao auf die Beine zu stellen. LoKa steht für Lateinamerikanisch-österreichischen Kulturaustausch und möchte neben der Sprachvermittlung eine interkulturelle Brücke zwischen diesen beiden Kulturen schaffen.

Ich war viele Jahre im Lehrberuf tätig gewesen und hatte den Fokus seit Jahren auf Reisen und Aufenthalte im fremdsprachigen Ausland gelegt. Ich fühlte mich berufen. Die Reise führt mich Ende September über Buenos Aires nach Lima und schließlich entlang der Atacamawüste nach Trujillo in die Region La Libertad. Von dort ist es eine gute Stunde bis Magdalena de Cao. Etwa 4 km von Magdalena wurde 2006 die Tempelstätte „El Brujo“ der Prä-Inka-Kultur Moche und das Grab der Dama de Cao, einer mumifizierten Frau, entdeckt. Es stellte sich heraus, dass es sich um eine Herrscherin der Moche-Kultur aus dem 4.Jahrhundert handelt. Der herausragende Fund war Anlass dafür, ein Museum zu errichten und dieses zusammen mit der Tempelanlage für Touristen zugänglich zu machen.

Der Ort schuf nicht nur neue Arbeitsplätze, sondern motivierte die Dorfbevölkerung von Magdalena, Englischkenntnisse zu erwerben oder zu verbessern, um die ausländischen Gäste angemessen empfangen zu können.
LoKa hat dieses Bedürfnis wahrgenommen. Der Verein kooperiert mit MINKA, einer NGO in Trujillo, die sich für nachhaltige Projekte in der Landwirtschaft und im Bereich Kunsthandwerk einsetzt. Der Direktor der Organisation, Francisco José San Martín Baldwin, ist österreichischer Honorarkonsul in Trujillo und hatte sich in den Jahren zuvor in besonderer Weise für die Dorferneuerung von Magdalena de Cao stark gemacht.

Mein Einsatz beginnt am 1. Oktober. Mein Auftrag ist es, Aufbauarbeit hinsichtlich des Sprachunterrichts zu leisten. Ziel ist es, regelmäßigen Unterricht für Schüler und Erwachsene zu etablieren.

Akane, eine japanische Volontärin, die seit zwei Jahren in einem touristischen Projekt im Dorf arbeitet, hilft mir, Kontakte zu den Institutionen herzustellen. Das Angebot wird überraschend freundlich aufgenommen. Der Direktor der dorfeigenen Schule zeigt sich ebenso kooperativ wie die Lehrer und der Direktor der Privatschule San Francisco. Letzterer wünscht sich zwei halbstündige Einheiten mit dem primero und segundo grado. In der öffentlichen Schule soll eine Unterrichtsstunde pro Klasse und Woche unterrichtet werden, also 45 Minuten. Anfangs gibt es einen Stundenplan für die erste, zweite und vierte Klasse. Drei Wochen später kommen auch die dritte, fünfte und sechste hinzu. Es gibt kein Kopiergerät im Schulhaus und auch sonst nur eine einfache Ausstattung in den Klassenräumen. Viele Steckdosen funktionieren nicht. Mit Verlängerungskabeln wird Abhilfe geschaffen, um Lieder auf CD hören zu können.

Ich fange an, mit einfachen Mitteln zu arbeiten. Einiges Bildmaterial in Form von Kopien hatte ich gleich nach der Ankunft bei Minka in Trujillo anfertigen können. Papier wird anfangs von der Schule zur Verfügung gestellt, Bunt- und Filzstifte, sowie ein CD-Player sind die von mir organisierten Unterrichtsbehelfe. Fast alle Kinder sind im Besitz von Stiften. Sie verwenden dennoch gerne jene der profesora. Mit dem Papier wird sparsam umgegangen. Grundsätzlich besorgen die Eltern zu Jahresbeginn ein Quantum an Malblättern für die Kinder. Doch so manches Kind geht leer aus, weil die Mittel fehlen. Also werden wir mit Hilfe des Vereins diese Dinge in Zukunft besorgen.

„Profesora de ingles“ rufen die Kleinen zu Unterrichtsbeginn, kommen über den Hof gelaufen und begrüßen einen mit Bussis und Umarmungen. Für sie da zu sein, regelmäßig wieder zu kommen und mit ihnen zu lernen, scheint ihnen das größte Glück zu sein. Natürlich schließt das nicht aus, dass an manchen Tagen die Motivation fehlt und die Kinder sich lieber balgen oder Verstecken spielen. Der Vorteil der Freiwilligenarbeit ist jedoch, dass ohne Druck gelernt werden und jeder seinem Rhythmus gemäß und ohne Beurteilung Fortschritte machen kann. Mitgebrachte Kinderbücher und CDs bereichern die Unterrichtsarbeit. Die Kinder lauschen gerne den Geschichten, singen liebend gerne und machen freudig bei den Bewegungsspielen mit.

Die Erwachsenenarbeit ist unsteter. Anfangs veranschlage ich eine Stunde wöchentlich im Casa de Juventud. Das Angebot wird von einigen Interessenten wahrgenommen. Die Fluktuation ist jedoch groß. Jede Woche kommen neue Gesichter und es verabschieden sich altbekannte. Nach und nach kristallisiert sich aber Beständigkeit heraus. Vertreter der Gemeinde, Studenten, Mitarbeiter des Tourismusbüros und des Museums kommen mit gewisser Regelmäßigkeit. Einige der Näherinnen im Kunsthandwerksladen sind ebenfalls interessiert, grundlegende Englischkenntnisse über die Ware und den Verkauf zu erlernen. Die Unterrichtsstunden werden an die Öffnungszeiten des Geschäfts angepasst.Anfang November erhalte ich Unterstützung im Projekt. Angela Tot hat sich für einen sechsmonatigen Aufenthalt entschieden. Sie wird bis April bleiben, während mein Einsatz im Dezember zu Ende geht. Wir unterrichten fortan gemeinsam in der Grundschule und teilen uns schließlich die Arbeit mit den Erwachsenen. Die Zusammenarbeit sowie die Aufteilung mancher Stunden stellt in vielerlei Hinsicht eine Entlastung dar. Das Angebot des Englischunterrichts spricht sich auch in der Umgebung herum. Es gibt Anfragen aus den zu Magdalena gehörenden Nachbardörfern, die am Programm teilnehmen wollen. Die Zukunft wird zeigen, ob es genügend freiwillige MitarbeiterInnen geben wird, um das Projekt auszudehnen.

Privat wohne ich im Haus von Señora Ana Maria. Sie vermietet zwei Zimmer und sorgt fürsorglichst für das Wohl der beiden Volontärinnen. Ich mag diese authentische Möglichkeit, Menschen, deren Kultur und Bräuche kennen zu lernen.

Vieles ist bescheiden im Dorf. An das kalte Wasser gewöhne ich mich. An den Wassermangel zu manchen Stunden ebenfalls. Dass es im Haus keinen Kühlschrank gibt, ist für mich das geringste Problem. Man lernt, nur das einzukaufen, was man kurzfristig benötigt. Ich sollte unbedingt erwähnen, dass Señora Ana hervorragend kocht! Die Wäsche wird im Dorf händisch gewaschen. Dazu gibt es die wohlbewährte Adresse von Leno. Sie verdient sich damit ein Taschengeld. Der Strom fällt immer wieder einmal aus. Handyverbindungen sind oft schlecht. Das Internet funktioniert grundsätzlich.

Die Aufnahme im Dorf ist von Anfang an herzlich. Man fühlt sich willkommen. Selbst die Menschen, die vermutlich nie die Fremdsprache lernen werden, empfangen die fremden Gäste herzlich und mit Wohlwollen. Sie alle freuen sich darüber, dass die Welt draußen Interesse zeigt, ihnen Wissen und Fertigkeiten vermittelt und eine Brücke der Völkerverständigung schlägt.

An den langen Wochenenden bleibt Zeit, um das Land zu bereisen. Die landschaftliche Vielfalt bietet alles von der Wüste bis zum Meer, über Lagunen und Berge bis hin zum Dschungel. Es sind oft abenteuerliche Erkundungen, lange Busfahrten, aber unzählige Möglichkeiten, sich mit Land und Leuten zu verbinden.

Der Einsatz im Projekt ist für mich eine der prägendsten Erfahrungen meines Lebens. In dieser so natürlichen Art des Gebens und Empfangens erhalte ich eine wunderbare Gelegenheit der Selbsterfahrung und des Auslotens persönlicher Grenzen in einem kulturell so andersartigen Land. Es beschenkt einen nicht zuletzt mit der intuitiven Gabe seiner Menschen, Wünsche von den Augen abzulesen und zu erfüllen.

Gracias LoKa, gracias Peru!

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